... Liegeradfahren ...
warum
ist es anders als das "herkömmliche" Rad
Ich
gehe einfach mal davon aus das wir alle Radfahren auf einem "normalen"
Rad gelernt haben ...
Was
ist also beim Liegerad anders? Warum müssen wir neu lernen? Ich lass
hier extra mal unser Airbike und das Flevo außen vor: Hier treten
noch andere Schwierigkeiten auf.
Was
ist eigentlich am Liegerad anders gegenüber dem "aufrecht"
Rad, auf dem wir gelernt haben?
Das
wichtigste ist das die Sitzposition über der Straße niedriger
ist!
Dazu
kommt noch das wir kraftschlüssiger auf dem Rad sitzen: Es ist eben
nicht der schmale Sattel sondern ein richtiger Sitz - der Körperkontakt
Fahrer / Maschine ist besser. Auf dem Liegerad hat der Köper des Fahrers
weniger Möglichkeiten Eigenbewegungen auszuführen.
Was
bedeutet das nun?
Warum
ist der niedrigere Schwerpunkt ausschlaggebend?
Versuchen
wir folgendes: balancieren wir doch einfach mal einen Besenstiel auf dem
Finger - und dann eine Kerze! Was fällt leichter? in der Regel wird's
der Besenstiel sein obwohl , ja weil er länger ist...
Balancierte
Kerze, Besenstiel, aber auch das Rad sind im Grunde Pendel die verkehrt
herum stehen. Der Auflagepunkt ist die Pendelachse.
Pendel:
je länger das Pendel ist, um so länger dauert eine Bewegung (Amplitude)
von einem Auslenkpunkt (wo es die Richtung ändert) zum anderen, genau:
es ist nicht die totale länge des Pendels sondern der Abstand Drehpunkt
zum Schwerpunkt. (Musiker kennen das, mit dem Metronom - das ist ein schwingendes
Pendel dessen Schwingungsdauer durch ein verschiebbares Gewicht bestimmt
wird - wird der Takt vorgegeben.).
Nehmen
wir das Hollandrad: Der Fahrer sitzt sehr aufrecht darauf, die Füße
sehr weit unten, die Tretachse ist unterhalb der Achsen der Räder;
der Sattel ein Stück oberhalb des Raddurchmessers, der Körpers
ist sehr aufrecht. Wenn das Pedal unten ist, steht der Fahrer fast auf
diesem pedal. Der Gesamtschwerpunkt (Fahrer/ Rad) ist weit von der Straße
(Drehpunkt) entfernt. Gemeinsamer Schwerpunkt? Die Kombination Rad / Fahrer
ist nun nicht nur ein Pendel sondern vereinfacht zwei. Auch der Sattel
ist ein Drehpunkt für ein Pendel: den Oberkörper des Fahrers
(relativ große Masse). Der Schwerpunkt des Rades selbst (wenig Masse,
plus Beine des Fahrers) ist also an einer festen Stelle innerhalb der Umrisse
des Rades - der Schwerpunkt des Oberkörpers des Fahrers ist ebenfalls
an einer festen Stelle innerhalb des Oberkörpers. Der Gesamtschwerpunkt
aber wechselt! Er befindet sich innerhalb eines Kreisbogens, eines Bereiches
von rechts bis links seitwärts des Rades, aber immer in etwa über
dem Berührungspunkt Rad - Straße: Ein in Maßen schräg
stehendes Rad kann also durch den Fahrer ausgeglichen werden, in dem der
Fahrer den Oberkörperschwerpunkt etwas über den Auflagepunkt
hinausbewegt, so das der Gesamtschwerpunkt wieder genau über dem Auflagepunkt
liegt. Eine weiter Ausgleichsmöglichkeit ist die Vorwärtsbewegung
des Rades: Der Fahrer steuert automatisch das Rad so, dass es in Richtung
der Abweichung des gemeinsamen Schwerpunkt fahrt - daraus resultiert eine
gemäßigte Schlangenlinie die aber vom Fahrer kaum wahrgenommen
wird.
Was
ist nun beim Liegerad? Dadurch das der Fahrer fast an sein Rad "geschweißt"
ist gibt es eigentlich nur den Gesamtschwerpunkt, der durch den Körper
so gut wie nicht ausgeglichen werden kann. Der Ausgleich erfolgt so fast
nur durch Fahrbewegung - deshalb ist Langsamfahrt mit dem Liegerad sehr
viel schwieriger als mit z.B. dem MTB, womit sogar das stehenbleiben nicht
schwirig ist (Ausgleich der Pendelbewegung nur über Körperbewegung).
Ist
das alles? Nein: Jetzt kommt noch die Lage, die Höhe, des totalen
Schwerpunkts (Fahrer / Rad) hinzu! Der gemeinsame Schwerpunkt des oben
beschriebenen Hollandrades liegt wesentlich höher als der beim Liegerad.
Zur erinnerung: langes Pendel - langsame Pendelbewegung, kurzes Pendel
- schnelle. Eine gleiche Auslenkung (Kreissegment Radius Auflagepunkt /
Schwerpunkt) aus der sichern Lage (Schwerpunkt über dem Auflagepunkt)
bedeutet beim Liegerad einen viel größeren Winkel (senkrechte
über Auflagepunkt zu Linie Schwerpunkt Auflagepunkt). ein großer
Winkel bedeutet: es ist schwieriger ihn auszugleichen, vor allem wenn der
Körper nicht mithelfen kann UND es steht weniger Zeit zur Verfügung:
eben ein kurzes Pendel!
So
... und nun kurz zum Airbike und Flevo: auch diese sind Liegeräder
und alles Beschriebene trifft darauf zu! Aber hier kommt es Dicker! Es
gibt keinen lenker im herkömmlichen Sinne: Das Ausgleichslenken mit
den Armen geht nicht! Und durch das Treten wird ausgerechnet auf die Lenkung
ein Moment ausgeübt, ne nachdem welches Bein dran ist, nach rechts
oder links, unabhängig davon wohin der Fahrer will, unabhängig
davon wie die beschriebene Ausgleichsbewegung sein sollte.
UND
TROTZDEM! MESCH KANN DAMIT FAHREN, UND WIE!
sogar
freihändig, was bei den anderen Liegerädern fast nicht möglich
scheint.
erstellt am 6.2.2000 von Steffen
Heinz
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