Das
habe ich mir fast so gedacht. Aus Ihrer Schilderung entnehme ich, dass
Sie sich am optischen Horizont mit fixiertem Blick festhalten müssen.
Dieses Schicksal teilen Sie mit Anfängern im Segelboot oder im Segelflugzeug.
Der visuelle Horizont liefert dem Lageempfinden des Körpers im Raum eine
wichtige Invariante. Wir sind phylogenetisch als aufrecht gehende Wesen
auf den Rundum-Horizont geeicht. |
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Darf
ich mal fragen: Wieso betonen Sie jetzt so den visuellen Horizont? Die
Gleichgewichtsregulation leistet doch der Vestibulärsinn! |
Gäbe
es für das Gehirn keine weiteren Quellen, sich über die Lage des Körpers
im Raum und über seine Bewegungszustände relativ zum Raum zu informieren,
so wären z.B. Astronauten im All in agonaler Seekrankheit versunken.
An der Gleichgewichtsregulation sind viele Sinne beteiligt. Das Gehirn
erbringt eine a-modale äquilibratorische Gesamtleistung und kann sogar
den Ausfall einzelner Sinnesmodalitäten verkraften. Beim Walzertanzen
hält man den Blick solange wie möglich auf einen festen Punkt fixiert
und macht dann einen schnellen Blickschwenk (Kopfsakkade). Blinde können
Skifahren oder Wildwasserkajak lernen. High-performance heißt immer,
dem Gehirn unter den vorhandenen Informationsquellen diejenige zu erschließen,
die für die Aufgabe am relevantesten ist. Der visuelle Horizont ist also
neben dem Vestibulärapparat außerordentlich hilfreich für das Raumlageempfinden.
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Wie
erklären Sie folgendes: Bei normalem Treten liegt bei mir das Rad ruhiger
als beim Rollen im Freilauf bei ruhenden Beinen. Deutlich labiler wird
die Lage sogar beim Rollen mit Rückwärtstreten. Mir scheint die Balance
auch mit der Tretbewegung der Beine zuammenzuhängen. Kann das sein? |
Unsere
Wahrnehmungssysteme generieren Invarianten aus Beschleunigungen, d.h.
aus Bewegungsänderungen. Ruhezustände sind für unser Gehirn also recht
informationsarm. Rhythmisches Treten erzeugt zum einen eine Abfolge von
Drehmomenten um die Kurbelachse, welche dem Vortrieb dienen, zum anderen
aber auch - rechtwinklig dazu gerichtete - Achsen-Kippmonente, die sich
aber in der Impulssumme zu Null addieren. Geradeaus ergibt sich daher
nicht statisch, sondern als Gradienten-Nullsumme - vielleicht ist das
eine Informationsquelle für das Gehirn. Ich denke aber auch daran, dass
Sie weiterhin den Gleichgewichtserhalt über Beschleunigungen - die Vortriebskomponente
des Tretens also - regulieren, nur in viel kleineren und damit äußerlich
kaum noch wahrnehmbaren Intervallen. Das alles fällt im Freilauf weg,
bei ruhenden Beinen also. Durch lange Übung ist diese Operations-Effekt-Beziehung
zwischen Treten und Gleichgewichtsregulation sicherlich in Richtung Kleinhirnregulation
abgestiegen. Für diese These spricht die Tatsache, dass das Rückwärtstreten
bei weitem nicht den gleichen stabilisierenden Effekt hat. Mit einem
automatischen Transfer von Vorwärts- auf Rückwärtstreten ist hier nicht
zu rechnen. SEILER hat in seinen Studien zum "Umkehrfahrrad" solche Probleme
ausführlich geschildert. Sind Sie eigentlich viel gestürzt? |
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Nein.
Ich bin eigentlich nie gestürzt. Die vorzüglichen Bremsen reichten in
der Lernphase immer für einen Notstop. Man fällt danach vielleicht um,
wie man aus einem Liegestuhl eben nicht so leicht auf die Beine kommt.
Stürzen fand ich kein Problem, man fällt ja auch nicht tief. |
Wozu
würden Sie dieses Rad denn nun empfehlen? |
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Ihnen
empfehle ich es für Studien zur Balanceregulation und vielleicht zum
Erdenken von Lehrmethoden (meine Tips zum Erlernen des Flevos habe ich
Ihnen notiert - siehe Box ) |